Der Kirchen-Lobbyist in der EU

Glaubenszeugnis
Ausgabe Nr. 23
  • Weltkirche
Autor:
Johannes Moravitz im Portrait.
Was ist der Kirche wichtig? Johannes Moravitz bringt die entsprechenden Themen auf EU-Ebene ein. ©Kathpress/Paul Wuthe
Europawahl 2024
Am 9. Juni 2024 werden die Mitglieder des EU-Parlaments in Österreich gewählt. ©pxhere.com

Seit zwei Jahren lebt Johannes Moravitz, 35, mit seiner Familie in Brüssel. Als Teil der COMECE, der Vertretung der EU-Bischofskonferenzen, bringt er für die Kirche wichtige Themen in der EU ein.

Johannes Moravitz lebt mit seiner Familie in einem Vorort Brüssels. Ins Büro der COMECE im Zentrum der Hauptstadt Europas pendelt er mit dem Zug.

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Herr Moravitz, was sind Ihre Aufgaben in Brüssel?

Als europäischer Referent der österreichischen Bischofskonferenz informiere ich die heimischen Bischöfe über die Entwicklungen in der EU, die ihren Bereich betreffen. Die Bischöfe haben ein großes Interesse an Europa. Sie bejahen die Grundidee der Europäischen Union, wie sie von den gläubigen Gründungsvätern der EU getragen wurde. Insgesamt interessiert sich die Kirche für
sehr viele Themen, die in der EU behandelt werden, von Landwirtschaft und bioethischen Fragen über die EU-Erweiterung bis hin zu Datenschutzfragen.

Die Grundidee der EU

Welche Bedeutung hat etwa der Datenschutz für die Kirche?

Datenschutzfragen betreffen die Kirchen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten stark. Ich bringe Belgien als Beispiel. Dort hat die nationale Datenschutzbehörde vor Kurzem
beschlossen, dass Menschen, die aus der Kirche austreten, auch eine Löschung aus dem Taufregister beantragen können. Die belgische Kirche hat dagegen Berufung eingelegt.

„Es liegt an uns, uns einzubringen.“

Johannes Moravitz

Die Kirche ist zwar weltweit gesehen eine große Institution, hat in Europa aber in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Wird das, was ihre Vertreter sagen, in Brüssel gehört?

Die EU ist dazu verpflichtet, mehrmals jährlich in bestimmten Dialogformen mit den Religionsgemeinschaften in Verbindung zu treten. Das ist in Artikel 17 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt. Im Rahmen dieser Treffen kann auch die Kirche ihre Anliegen einbringen. Darüber hinaus hängt unser Einfluss stark von den Mitgliedsstaaten und den Parteien ab. Es gibt Länder wie Italien, bei denen wir mit allen Parteien in intensiverem Dialog stehen. In den skandinavischen Ländern spielt die katholische Kirche aus historischen Gründen eine geringere Rolle, da ist es auch für uns schwieriger. Ich bin aber der Meinung, dass wir nicht so sehr den Blick darauf richten sollten, was alles nicht geht, sondern dass es an uns liegt, uns einzubringen. Denn trotz sinkender Zahlen bei den Gottesdienstbesuchen gibt es immer noch sehr viele Menschen in Europa, die sich zugehörig fühlen.

Konzentration auf den EU-Wahlkampf

War Ihr Arbeitspensum vor der EU-Wahl höher als sonst?

Bis zur letzten Versammlung des Europäischen Parlaments vor einigen Wochen haben wir geschaut, bei welchen Themen wir uns noch einbringen können. Seit dieser Versammlung sind die Abgeordneten selbst auf Wahlkampf, es war also weniger los. Ich selbst habe viele Interviews gegeben, in denen ich über die EU-Wahl gesprochen habe.

Sie sind bald zwei Jahre in Brüssel. Gab es einen persönlichen Höhepunkt für Sie in dieser Zeit?

Eine der Sternstunden war sicherlich die Vollversammlung der COMECE-Bischöfe mit einer Privataudienz mit dem Heiligen Vater. Sehr schön finde ich auch den persönlichen Austausch mit den Abgeordneten,
bei dem es nicht um formale Sachen geht. Es gibt bei den Menschen viel mehr Glauben, als man vermuten würde.

Die EU und die katholische Kirche

Sie leben mit Ihrer Frau und Ihren beiden Kindern in Brüssel. Haben Sie Anschluss zu einer Pfarre gefunden?

Für uns war es anfangs eine Umstellung: Belgien ist wesentlich säkularisierter als Österreich, auch wenn Flandern, wo wir wohnen, kulturell katholisch geprägt ist. In Brüssel selbst gibt es sehr viel Angebot, was das geistliche Leben betrifft, zum Beispiel auch eine große deutschsprachige katholische Gemeinde. Wir haben uns allerdings entschlossen, uns ins belgische Leben zu stürzen, und engagieren uns in unserer Wohnpfarre. Hier in der Pfarre gibt es viele Familien mit Kindern. Deswegen lernen wir gerade alle Flämisch.

Schlagwörter
Autor:
  • Sandra Lobnig
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