Das Thema Bioethik in der Politik

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Das Parlament in Wien.
Parlament in Wien: Oft werden die Pros und Contras ausschließlich auf unterschiedliche idiologische Standpunkte reduziert. ©istock
Die Verfügbarkeit des Menschen am Lebensbeginn führt zu immer weitreichenderen Fragen.
Biomedizin: Die Verfügbarkeit des Menschen am Lebensbeginn führt zu immer weitreichenderen Fragen. ©pixabay

Stephanie Merckens über das politische Thema Bioethik und die Frage nach möglichen Allianzen im Bereich des Lebensschutzes. Und über die gegenwärtigen großen Konfliktfelder in der Bioethik.

Der SONNTAG hat mit Dr. Stephanie Merckens,Referentin für Bioethik und Lebensschutz, Institut für Ehe und Familie, darüber gesprochen, warum das Thema Bioethik auch ein politisches ist. 

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Warum ist das Thema Bioethik immer auch ein politisches Thema?

Merckens: In der Bioethik geht es um die Frage, welche Grenzen wir Menschen dem naturwissenschaftlich Möglichen setzen. Aus dieser Entscheidung heraus ergibt sich eine politische Agenda – denn die Grenzen müssen durch Gesetze gezogen werden, durch bewusstseinsbildende Maßnahmen nachvollziehbar gemacht und durch den Vollzug dieser Gesetze geschützt werden.

Schafft die Politik die Rahmenbedingungen, innerhalb derer das sensible Thema Bioethik mit all ihren Folgen auch berücksichtigt wird?

Das gelingt viel zu wenig. In den seltensten Fällen ist eine transparente, ausgewogene Diskussion gewünscht, oft werden die Pros und Contras einer Thematik auf unterschiedliche ideologische Standpunkte reduziert. Gerade bei der Bioethikkommission gibt es echten Reformbedarf: Es sollten mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt und ein unabhängigeres Bestellverfahren  der Mitglieder vorgesehen werden. Derzeit ist die Bioethikkommission als Beratungsgremium des Bundeskanzlers konzipiert, welches dieser sich daher auch nach seinem Gutdünken zusammenstellen kann. Dafür erfolgt die Tätigkeit, die oft sehr tiefreichende Expertise und großen Einsatz verlangt bzw. verlangen würde, ehrenamtlich. Man kann von den Mitgliedern nicht verlangen, dass sie diesen Einsatz neben ihren beruflich schon sehr großem Engagement noch zusätzlich einbringen können. Hier wäre eine Aufwertung des Gremiums sowohl im Hinblick der Unabhängigkeit als auch der Ressourcen wichtig, um tatsächlich objektiv und umfassend über die Themen diskutieren zu können.

Dem Menschen ist sein Leben gegeben, er hat es sich nicht selbst gemacht. Es geht daher um die Frage, wie das Leben gelebt werden kann und nicht ob. 

Wo sind derzeit die großen politischen Konfliktfelder in der Bioethik?

Weiterhin bleiben die Themen Reproduktionsmedizin und Sterbehilfe sehr relevant. Die künstliche Befruchtung und damit die Verfügbarkeit des Menschen am Lebensbeginn führt uns zu immer weitreichenderen Fragen: Veränderungen der Eizelle mit Teilen aus fremden Eizellen, 3-Eltern-Babys oder auch Mischungen mit tierischen Körperteilen, Veränderungen der Gene etc. Am Lebensende stellt uns die medizinische Entwicklung vor große Fragen, etwa bei der Funktionserhaltung wichtiger Organe oder dem Zusammenspiel von Autonomie und Verantwortung. Gleichzeitig wird immer offener diskutiert, wie viel die Erhaltung eines Menschenlebens kosten darf bzw. kann. Bei Ressourcenknappheit bekommt der Mitteleinsatz natürlich eine immens ethische Dimension.

Steht da die katholische Kirche im Bereich der Bioethik nicht oft allein im Regen oder gibt es Verbündete, Allianzen?

Fragen der Bioethik haben nicht primär etwas mit der katholischen Kirche zu tun. Allgemein steigt das Bewusstsein, dass nicht alles dem Menschen gut tut, was technisch möglich ist. Und die katholische Kirche kann hier dank ihrer von der öffentlichen Hand unabhängigen Ressourcen immer wieder als starke und kompetente Interessensvertreterin eines ganzheitlichen Menschenbildes auftreten. In diesem Einsatz suchen und finden wir immer wieder Allianzen, etwa in der Frage der Leihmutterschaft oder auch bei der Sterbehilfe.

Welche Bezugspunkte braucht die Bioethik, um eine konsequente Deutung der ethischen Fragen zu gewährleisten, die angesichts möglicher Interpretationskonflikte unvermeidlich auftauchen?

Da gibt es unterschiedliche Zugänge. Für mich sind folgende Annahmen wegbegleitend:

  • Der Mensch lebt ab der Befruchtung bis zu seinem Tod.
  • Jeder Mensch ist nicht nur gleich an Würde, sondern auch an Wert.
  • Das Ziel rechtfertigt das Mittel nicht.
  • Die Freiheit des Menschen inkludiert seine Verantwortung für den anderen.
  • Dem Menschen ist sein Leben gegeben – er hat es sich nicht selbst gemacht.
  • Es geht daher um die Frage, wie das Leben gelebt werden kann und nicht ob.

Letzteres sollte sich unserem Zugriff entziehen, weil wir dafür nicht verantwortlich sind. Sonst geht es uns so, wie es der ehemalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau vorskizziert hat: „Wo das (Weiter-)Leben nur eine von zwei legalen Optionen ist, wird jeder rechenschaftspflichtig, der anderen die Last seines Weiterlebens aufbürdet.“ Und gerade das widerspricht der Menschenwürde.

Die Respektierung der Würde des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tod hat den absoluten Vorrang vor pragmatischen Nützlichkeitserwägungen und wirtschaftlichen Vorteilen. Wie kann das politisch argumentiert werden?

Verantwortungsvolle Politik sollte sich bei aller Tragik des Einzelfalles immer mit den weiter reichenden Auswirkungen einer normativen Regelung auseinandersetzen. Sowohl was das öffentliche Unrechtsbewusstsein, die Akzeptanz von Krankheit und Gebrechen oder auch die finanzielle Absicherung einer allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung betrifft. Hier die Zusammenhänge anzunehmen fällt unter dem Druck des Einzelfalls oft schwer. Denn wer möchte nicht einem Paar zu einem möglichst gesunden Kind verhelfen oder einen leidenden Menschen von seinen Schmerzen erlösen? Aber viele „Lösungsangebote“ arbeiten bloß mit der Selektion des Lebens und haben erst gar nicht  dessen individuelle Heilung zum Ziel. Da reicht es nicht, anfangs nur wenige Ausnahmen zuzulassen. Wenn etwa die Selektion grundsätzlich als Lösung akzeptiert wurde, dann halten die Schranken nicht lange. Es geht also nicht nur darum, das Ziel als ethisch erstrebenswert zu bewerten, sondern eben auch den

Zur Person:

Stephanie Merckens, Referentin für Bioethik und Lebensschutz, Institut für Ehe und Familie.
Stephanie Merckens, Referentin für Bioethik und Lebensschutz, Institut für Ehe und Familie. ©LinkedIn

Dr. Stephanie Merckens,
Referentin für Bioethik und Lebensschutz, Institut für Ehe und Familie.

Institut für Ehe und Familie (IEF)
Spiegelgasse 3/8
A - 1010 Wien
Österreich
Tel.: +431 515 52 / 3658 (Sekretariat)
Fax: +431 513 89 58
E-Mail: office@ief.at
www.ief.at

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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