Das Geheimnis der Weihnachtskrippen
Kardinal Schönborn ganz persönlichIn vielen Häusern steht unter dem Christbaum eine Krippe. Oft ein ganzer Miniatur-Stall, manchmal sogar mit ein bisschen Landschaft drum herum. Wie viel Liebe und Sorgfalt wird drauf verwendet, dass alles so ist, wie es sich gehört, dass die Figuren richtig stehen und der Stern nicht schief hängt!
Vor einigen Jahren beobachtete ich zwei Arbeiter in einem Gästehaus in Rom. Sie gruben keinen Graben, reparierten nicht irgendwelche Rohre. Sie bauten eine Krippe. Mit großem Ernst.
Woher diese Begeisterung für die Krippe?
Alles begann mit Franziskus, dem Heiligen von Assisi. 1223 ließ er zum ersten Mal das Weihnachtsevangelium als „lebende Krippe“ darstellen. Was Franziskus bewog, sich so in das Geschehen der Nacht von Bethlehem hineinzudenken, hatte einen tieferen Grund: Das Kind in der Krippe ist ja Gottes Sohn. Gott selber hat sich klein gemacht und ist unter uns in großer Armut erschienen. Dieses Geheimnis bewegt die Herzen.
Zu Weihnachten feiern wir kein leeres Ritual, sondern lebendige Wirklichkeit. Das ist der wahre Grund der Weihnachtsfreude. Ich sah sie auf den Gesichtern der beiden Krippenbauer leuchten.
Um die Krippe versammelt
Es ist ein schönes Bild, dass sich in den Weihnachtstagen die Menschen um die Krippe versammeln, dass oft auch die Verwandtschaft dazukommt. Ganz in der Mitte ist dann das Jesuskind, um ihn herum Maria und Josef, dann kommen die Hirten. Und rund um diese Krippenfiguren die Menschen aus „Fleisch und Blut“: Vater, Mutter, Kinder… In einem weiteren Kreis die Großfamilie: Großeltern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. So versammelt sich in diesen Tagen die ganze „weitere Verwandtschaft“ Jesu, nämlich alle Christen, um die Krippe und um den Heiland, der in ihr liegt.
Wir sind eine große, sehr große Familie. Leider gibt es aber in den Familien auch Spannungen, in Kleinfamilien, in Großfamilien, in der Kirche und in der ganzen Menschheitsfamilie. Gerade auch zu Weihnachten, wo Wunsch und Realität oft so schmerzhaft auseinanderklaffen.
Hoffnung und Ermutigung
Meine Hoffnung und Ermutigung für uns alle zu Weihnachten ist: dass es uns gelingt, sich wirklich im Blick auf die Krippe zu versammeln. Mit Blick auf das Kind, das da in Windeln gewickelt liegt – und die Welt verwandelt. Das Kind, in dem das Angesicht Gottes aufleuchtet. Bleiben wir oft vor diesem Kind stehen und sprechen wir mit ihm. Zwei, drei kurze Sätze, Stoßseufzer, Bitten. Gott hört uns! Vielleicht nehmen dann die Spannungen ab, und der Friede zu. Vielleicht finden wir so die Kraft, füreinander zu beten. Gerade auch für die, die uns am meisten auf die Nerven gehen.