Das Gebet, das uns Jesus selbst lehrte

Was wir der Kirche verdanken
Ausgabe Nr. 50
  • Theologie
Paternosterkirche in Jerusalem: das Vaterunser in vielen Sprachen.
Paternosterkirche in Jerusalem: das Vaterunser in vielen Sprachen. ©istock

Wir verdanken den Evangelisten Lukas und Matthäus die Überlieferung jenes Gebetes, das Tag für Tag weltweit als „Vaterunser“ gebetet wird.

Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat!“, so führt der Evangelist Lukas zu jenem Gebet hin, das Jesus seine Jünger gelehrt hat (Lukasevangelium, Kapitel 11, Vers 1). Dieses Gebet des Herrn ist zweifach überliefert. Lukas kennt eine kürzere Fassung mit fünf Bitten, Matthäus eine etwas ausführlichere mit sieben Bitten (Matthäusevangelium, Kapitel 6, Verse 9 bis 13). 

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Das Gebet des Herrn

Die Kirche hat sich in ihrer Liturgie für die Fassung des Matthäus entschieden. Schon der Kirchenschriftsteller Tertullian betonte: „Das Gebet des Herrn ist die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums.“ Auch der größte Theologe der abendländischen Christenheit, der heilige Thomas von Aquin, schätzte das Vaterunser: „Das Gebet des Herrn ist das vollkommenste ... In ihm wird nicht nur um alles gebeten, wonach wir in richtiger Weise verlangen können, sondern auch in derjenigen Reihenfolge, in der wir danach verlangen sollen; so lehrt uns dieses Gebet nicht bloß bitten, sondern formt auch unser ganzes Gemüt.“ „Herrengebet“ oder „Gebet des Herrn“ meint, „dass Jesus, unser Herr, uns das Gebet zu unserem Vater gelehrt hat“, betont der Katechismus der Katholischen Kirche (Nummer 2765). 

Ein Stachel im Fleisch der Frömmigkeit

Zwei Vaterunser-Bitten führen immer wieder zu theologischen Diskussionen. Da ist zum einen die Bitte „Unser tägliches Brot gibt uns heute“, zum anderen die Bitte „Und führe uns nicht in Versuchung“. Die Brotbitte variiert in den Evangelien. Matthäus gemäß soll das Brot „heute“ (Matthäusevangelium, Kapitel 6, Vers 11) gegeben werden, Lukas gemäß hingegen „täglich“ (Lukasevangelium, Kapitel 11, Vers 3). Die sechste Bitte des Vaterunsers – „Führe uns nicht in Versuchung“ – ist vor einigen Jahren von Papst Franziskus als zu hart empfunden worden. „Ein Vater tut so etwas nicht“, meinte er. Die deutsche Übersetzung lässt Fragen offen: Führt Gott selbst in Versuchung? Was ist mit „Versuchung“ gemeint? Die Bischöfe des deutschen Sprachraums blieben bei der vertrauten Übersetzung. Der Neutestamentler Thomas Söding fasst die Problematik so zusammen: „Die Versuchungsbitte ist ein Stachel im Fleisch christlicher Frömmigkeit.“ Und wert, dass immer wieder über sie gepredigt wird. 

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