Das Comeback der Schöpfungstheologie
Schöpfung im KlimawandelSchon die Wortwahl ist bedenklich. Während die Kirche seit den Anfängen vom „Schöpfer“ und von der „Schöpfung“ spricht, hat sich auch in kirchlichen Kreisen das nur einen Teilbereich abdeckende Wort „Umwelt“ in die Sprache eingenistet. Wie auch „Klimawandel“ netter klingt als „Erderwärmung“. Im Glaubensbekenntnis betet die Kirche Sonntag für Sonntag: „Ich glaube an Gott, ... den Schöpfer des Himmels und der Erde ...“ Das Thema „Schöpfung“ war allerdings lange Jahre aus Katechese, Predigt und Theologie beinahe verschwunden. So auch der sogenannte „Wettersegen“, der im Zuge des spürbaren Klimawandels wieder vermehrt gespendet wird.
„Wettersegen“ für die Schöpfung
Gott, du Schöpfer aller Dinge, du hast uns Menschen die Welt anvertraut und willst, dass wir ihre Kräfte nützen. Aus dem Reichtum deiner Liebe schenkst du uns die Früchte der Erde: den Ertrag aus Garten und Acker, Wiesen, Weinberg und Wald, damit wir mit frohem und dankbarem Herzen dir dienen. Erhöre unser Gebet: Halte Unwetter und Hagel, Sturm, Überschwemmung und Dürre, Frost und alles, was uns schaden mag, von uns fern. Begleite unsere Arbeit, damit wir in Dankbarkeit und Freude gebrauchen, was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist. Amen.
(„Wettersegen“ aus dem liturgischen Messbuch)
Paul VI.: Gegen die Ausbeutung der Natur
Mit dem Bericht des „Club of Rome“ äußerten sich auch die Päpste in ihren Stellungnahmen und Schreiben konkreter zum Thema „Schöpfungsverantwortung“. 1970 gab es in Stockholm erstmals eine UN-Konferenz zum Thema Umwelt und auch der Vatikan war mit einer Delegation vertreten. Das kirchliche Positionspapier widmete sich der Konsum-Frage und forderte „mehr zu sein“ als „mehr zu haben“. Schon ein Jahr vor dem Bericht des „Club of Rome“ hatte Papst Paul VI. 1971 in seinem Apostolischen Schreiben „Octogesima adveniens“ der Kirche deutlich ins Stammbuch geschrieben: „Plötzlich wird sich der Mensch heute bewusst, infolge seiner unbedachten Ausbeutung der Natur laufe er Gefahr, diese zu zerstören und selbst zum Opfer ihrer auf ihn selbst zurückschlagenden Schändung zu werden“ (Nr. 21).
Johannes Paul II.: Soziale Marktwirtschaft
Johannes Paul II. dachte und sprach immer wieder in seinem langen Pontifikat (1978 bis 2005) von der „Humanökologie“, die die Begriffe des Respekts vor dem Leben, der Arbeit als Mitwirkung am Schöpfungswerk Gottes und der „Verantwortung“ in den Mittelpunkt stellte, besonders in den Enzykliken „Laborem exercens“ (1981) und „Centesimus annus“ (1991). Das Programm des Papstes lautete: Der Mensch ist der Weg der Kirche (Enzyklika „Redemptoris hominis“, 1979). Für österreichische innenpolitische Ohren nicht uninteressant war der Umstand, dass Johannes Paul II. das Konzept der sozialen Marktwirtschaft in der Enzyklika „Centesimus annus“ (1991) in die katholische Soziallehre aufgenommen hat, in Richtung Weiterentwicklung hin zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. 1987 machte Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Sollicitudo rei socialis“ auf die „Sorge für die Umwelt“ aufmerksam (Nr. 26), in der Enzyklika „Centesimus annus“ (1991) behandelte er diese Frage unter dem Stichwort „Die Frage nach der Ökologie“ (Nr. 37). Der Papst aus Polen war in Fragen der Ökologie äußerst innovativ: Er regte auch das „Kompendium der kirchlichen Soziallehre“ an, das 2004 veröffentlicht wurde. Unter dem Stichwort „Die Umwelt bewahren“ handelt ein ganzes Kapitel (Nr. 451–487) vom Thema der Bewahrung der Schöpfung. Das „Kompendium“ kennt ein „Recht auf eine sichere und gesunde natürliche Umwelt“ (Nr. 468).
Benedikt XVI.: Die Rede im Bundestag
In der Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ (2009) von Papst Benedikt XVI. befassen sich fünf Abschnitte (48–52) mit Fragen der Schöpfungsverantwortung. An die Frage der Ökologie erinnerte dann Benedikt XVI. in seiner berühmten Rede im Berliner Reichstagsgebäude vom 22. September 2011. „Ich würde sagen, dass das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70-er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite- schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet“, sagte Benedikt XVI. in Berlin: „Jungen Menschen war bewusst geworden, dass irgendetwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt.“ Und Benedikt XVI. führte weiter aus: „Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten.“
Franziskus: Die „grüne“ Enzyklika
Mit der Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si’“ (2015) von Papst Franziskus bekam das Umweltthema seinen angemessenen Stellenwert in der Kirche, ein neues Kapitel der katholischen Soziallehre wurde damit aufgeschlagen. Diese Enzyklika versteht sich als „dringliche Einladung zu einem neuen Dialog“ (LS 14), sie zielt auf eine „ökologische Umkehr“ (LS 216–221). So beklagt „Laudato si’“ u. a. die „Vermüllung des Planeten Erde“ (LS 20–22) und verknüpft u. a. lateinamerikanische und franziskanische Spiritualität, etwa mit dem Appell zur Achtsamkeit. Papst Franziskus wünscht auch eine Erneuerung des Lebensstils und der Konsummuster (55 Mal in „Laudato si’“). Die Leitmetapher „Mutter Erde“ ist typisch für diese lateinamerikanische Theologie. Und „Laudato si’“ ist konkret: Das Problem des Klimawandels wird klar angesprochen (LS 20–26), letztlich geht es dem Papst aus Argentinien um die „Sorge für das gemeinsame Haus“, so der Untertitel der Enzyklika. Mit „Laudato si’“ ist Papst Franziskus zu einem Fürsprecher der Armen und der Natur geworden. Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Schöpfungsverantwortung gehören bei Papst Franziskus zusammen.
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