Vom Bergbauernbub zum Hofpriester

100. Todestag von Pater Cölestin Wolfsgruber
Ausgabe Nr. 47
  • History
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Pater Cölestin Wolfsgruber:  ein wortgewaltiger Kirchenhistoriker.
Pater Cölestin Wolfsgruber:ein wortgewaltiger Kirchenhistoriker. ©Archiv des Schottenstifts/Hans Saitz

Am 26. November 1924 verstarb der letzte Hofprediger Österreichs, Pater Cölestin Wolfsgruber. Sein Leben und Wirken hatte er in den Dienst seiner Heimat und des österreichischen Kaiserhauses gestellt.

Der spätere Hofprediger wurde am 14. Mai 1848 in Neukirchen bei Altmünster im oberösterreichischen Salzkammergut als Johann Nepomuk Wolfsgruber geboren. Als uneheliches Kind wuchs er bei seinen Großeltern auf einer Landwirtschaft auf der Großalm zwischen Attersee und Traunsee auf. Der Bergbauernbub hatte jeden Tag einen Weg von fünf Kilometern in die Schule nach Neukirchen zu bewältigen. Dort erwies er sich als sehr begabter Schüler, dessen Potential jedoch in der örtlichen Dorfschule nicht ausreichend ausgeschöpft werden konnte. Der Dorfschullehrer hatte selbst Schwierigkeiten beim Schreiben und Rechnen und verbreitete bei seinen Schülern seltsame Theorien, wie etwa, dass die Erde nur noch 70 Jahre lang bestehen würde. 

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Cölestin Wolfsgruber: Zum Priester berufen

Die Mutter des Schülers sah ihren Sohn jedoch zu Höherem berufen: Er sollte Priester werden. Sie trat daher eine Stelle in Wien an, um ihrem Sohn eine Ausbildung am Schottengymnasium zu ermöglichen. Ein Cousin des jungen Wolfsgruber war dort bereits Schüler. Die Fahrt ins ferne Wien stellte im Jahr 1860 eine große Herausforderung dar: Auf dem Lastschiff „Trauner“ nahmen sie die damals gefährliche Fahrt über Traun und Donau in die kaiserliche Residenzstadt auf sich. Vor den Wasserströmungen des Strudengaus, an deren Beseitigung zu dieser Zeit erst gearbeitet wurde, bangte es den Schiffsleuten bei jeder Fahrt.

 

Aktiv ab 1869 bei den Schotten

Die Stadt Wien befand sich gerade in der Transformation zur modernen Metropole. Die alten Stadtbefestigungen waren bereits geschleift, der Bau der monumentalen Ringstraße stand am Beginn. In diesem Umfeld erhielt Wolfsgruber seine entscheidende Prägung. Am Schottengymnasium – dem einzigen geistlichen Gymnasium Wiens – wurde die katholische Elite der Reichshauptstadt herangebildet. Johann Nepomuk Wolfsgruber brillierte in allen Fächern und legte 1869 mit Auszeichnung die Matura ab. Gleich nach Abschluss des Gymnasiums trat Wolfsgruber in das Schottenstift ein und erhielt den Ordensnamen Petrus Cölestinus. Er absolvierte sein theologisches Studium an der Universität Wien, legte am 28. September 1873 die ewige Profess ab und wurde am 25. Juli 1874 im Stephansdom zum Priester geweiht. Nach der Priesterweihe setzte er seine theologischen Studien fort und wurde 1875 zum Doktor der Theologie promoviert. Im Schottengymnasium unterrichtete er zunächst Religion, erlangte jedoch später auch die Lehrbefähigung für Geografie und Geschichte. In dieser Funktion verfasste er ein „Lehrbuch der Kirchengeschichte für Gymnasien“. 1884 lehnte er einen Ruf als Professor an die Benediktinerhochschule San Anselmo in Rom ab. 1886 übernahm er das Amt des Stiftsarchivars. Während seiner Lehrtätigkeit blieb Wolfsgruber der Wissenschaft verpflichtet: Er verfasste zahlreiche Werke zur österreichischen (Kirchen-)Geschichte sowie Biografien über einige Wiener Erzbischöfe wie Kardinal Rauscher oder Kardinal Migazzi. Darüber hinaus befasste er sich mit frühchristlichen  Themen und der Frage nach der Verfasserschaft des Werks „Imitatio Christi“ („Nachfolge Christi“) – ein Bestseller des Thomas von Kempen bis heute.
 

„Patriotische Tränen“ zum Abschied von Cölestin Wolfsgruber

Cölestin Wolfsgruber war als beliebter Prediger bekannt, der seine Zuhörer auf authentische Weise ansprach und eine große Frömmigkeit ausstrahlte. Es lag daher nahe, dass er sich nach dem Ausscheiden des Hofpredigers Pater Clemens Kickh 1900 gemeinsam mit zehn weiteren Bewerbern um dessen Nachfolge bemühte. Auf Rat von Burgpfarrer Laurenz Mayer hin verlieh der Kaiser Wolfsgruber die Stelle des Hofpredigers. Von liberaler Seite kam Kritik an dieser Ernennung aufgrund der „ultramontanen“ (streng päpstlichen) Einstellung des Benediktiners. Seine Aufgabe, jeden Sonntag in der Hofburgkapelle zu predigen, nahm Wolfsgruber auch weiter wahr, nachdem er 1903 zum Professor für Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Wien ernannt worden war. Das Auseinanderfallen des Habsburgerreiches 1918 versetzte dem Patrioten Wolfsgruber einen Stoß. Durch den Weggang des Kaiserhauses musste er für kurze Zeit auch seine Predigttätigkeit in der Hofburgkapelle einstellen. Aufgrund seiner langjährigen Verbundenheit mit dieser Kapelle konnte er jedoch – obwohl es keinen Hof mehr gab – seine Stelle als Hofprediger behalten. 1920, im Alter von 72 Jahren, legte er diese aus gesundheitlichen Gründen zurück. In seiner Abschiedspredigt brachte er seine „patriotischen Tränen“ über den Niedergang der Donaumonarchie zum Ausdruck und verglich diesen mit dem Fall des Römischen Reichs. In tiefer Verbundenheit mit den Angehörigen des Kaiserhauses verabschiedete er sich in deren Abwesenheit von jenen, die er „in den feierlich ernsten Stunden der Sonntage so oft als in Christus Verehrte begrüßt habe“ und „die durch vier Jahrhunderte ihre Hand schützend und erhaltend über die ehrwürdige Hofkapelle, das Predigtamt in ihr und die Musikkapelle gehalten haben“. 
 

Die letzten Lebensjahre von Cölestin Wolfsgruber

Seine letzten Lebensjahre wurden ihm durch ein Nervenleiden immer mehr erschwert. Das 50-jährige Weihejubiläum konnte er schwer krank noch begehen, bevor er am 26. November 1924 einer Lungenentzündung erlag.

Schlagwörter
Autor:
  • Felix Deinhofer
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