Neu entdecken: Christliche Spiritualität

Lehrgang Spiritualität
Ausgabe Nr. 2
  • Spiritualität
Autor:
Bibel auf einem Schrein in einer Kapelle
Spiritualität: In diesen „Container“ scheint alles hineinzukommen, was über das Alltägliche und
über das allzu Verständliche hinausgeht.
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Sr. Christine Rod
Christine Rod ist Ordensfrau in der Gemeinschaft der Missionarinnen Christi und Generalsekretärin der Ordensgemeinschaften.
©ÖOK

Entdecken Sie die faszinierende Welt der christlichen Spiritualität mit einem zweijährigen Lehrgang "glauben und leben". Tauchen Sie ein in eine Reise der Selbstfindung und spirituellen Bereicherung.

Eine Bekannte sagte zu mir: „Nenn dieses Angebot doch nicht ‚Lehrgang‘. Das erinnert so schrecklich an Schule, und das weist Menschen ab.“ Ich war ein wenig ratlos. Wie soll man denn einen solchen längeren Weg zusammengehöriger und doch verschiedener Impulse sonst nennen? „Das ist ein wunderbarer Begriff“, sagte eine andere. „Glauben hat ja mit Gehen, mit Unterwegs-Sein zu tun. Und tatsächlich auch mit Lernen.“ Gut, das war dann wieder entlastend für mich, und so sind wir doch bei dieser Bezeichnung geblieben.

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Ein verlockender Begriff

So vielfältig und ambivalent die Resonanz auf „lehren“ und „lernen“ ist, so vielfältig und ambivalent ist sie auf Spiritualität und Glaube. Vielleicht sogar noch viel mehr, und erst recht, wenn die Zuschreibung „christlich“ dazukommt.

Spiritualität ist für viele in unserer mitteleuropäischen Gesellschaft ein verlockender Begriff, etwas Interessantes, Inspirierendes, Geheimnisvolles, Bereicherndes. Allerdings ist „Spiritualität“ auch so etwas wie ein „Container-Begriff“. In diesen „Container“ scheint alles hineinzukommen, was über das Alltägliche und über das allzu Verständliche hinausgeht, was dem Leben irgendwie einen Zauber gibt. Manche suchen sich dabei aus allen möglichen Sinnangeboten und auch aus verschiedenen Religionen zusammen, was sie als ansprechend erleben. Der tschechische Theologe Tomas Halik bezeichnet dieses Phänomen in etwa so: Früher haben Menschen in einer ganz klaren Glaubenstradition gelebt, und sie waren mit der Frage beschäftigt: „Wie werde ich Gott, dem Glauben, den Ansprüchen der Religion gerecht?“ Heute fragen Menschen eher: „Wie kann meine Spiritualität mir und meinen Bedürfnissen und Sehnsüchten gerecht werden?“ Sie sind autonom und unbestechlich, und sie machen sich selber auf die Suche und tragen zusammen, was für sie persönlich nahrhaft und aufbauend ist. Diese Entdeckungsreise, dieses Bauen des eigenen spirituellen Lebensmosaiks mit Bausteinen aus verschiedenen Traditionen und Religionen kann faszinierend sein. Es ist eine spannende, abenteuerliche und zugleich eine sehr anspruchsvolle Angelegenheit. Hin und wieder so anspruchsvoll, dass manche Zeitgenossen meinen, das Leben sei anstrengend genug, und sie müssten sich nicht auch noch Extra-Herausforderungen in ihr Leben holen

Glauben hat ja mit Gehen, 
mit Unterwegs-Sein zu tun.

Sr. Christine Rod

Persönlich glaube ich, dass christliche Spiritualität tatsächlich ein Lernweg ist. Mich tröstet das Wort, das Martin Luther zugeschrieben wird: „Das christliche Leben ist nicht fromm sein, sondern fromm werden; nicht gesund sein, sondern gesund werden; nicht Ruhe, sondern Übung.“ Ich muss nicht ein für alle Mal fertig sein, mein Glaube muss nicht „fertiggebacken“ sein. Ich darf unfertig und Übende sein. 
Was in meinem Leben von Anfang an wichtig war: Ich bin durch meine Familie und durch mein Umfeld von Kindesbeinen an gewissermaßen in den christlichen Glauben hineingeboren. Ich konnte mit den christlichen Festen und Riten, mit besonderen Feiern und auch mit alltäglichen Gewohnheiten vertraut werden; sie sind Teil meiner Lebens- und Glaubensgeschichte geworden. Ich „gestehe“: Ich habe nicht lange bei verschiedenen Glaubenstraditionen herumgesucht, sondern ich konnte mit dem gut leben, was mir mitgegeben wurde: mit dem Glauben an Jesus Christus, und das im größeren Zusammenhang der Kirche. Im Laufe der Jahre habe ich verschiedenste Menschen kennengelernt, bin in der Welt herumgekommen, bin ein kritischer Geist geworden und habe mich gegen mancherlei aufgelehnt. Das hatte aber weitgehend mit Kirche, nicht mit meinem Glauben zu tun (so weit ich das überhaupt trennen kann). 

Lebensgewissheit und Lebenskultur

In der Theologie habe ich gelernt, dass der christliche Glaube eine „Buchreligion“ ist: Ein Buch bietet mir ein Thema, einen Inhalt, Geschichte und Geschichten an; es gibt mir einen Rahmen. Und „Buchreligion“ lädt mich auch ein zum Reflektieren, zum Fragen, zum Selber-Denken.

Irgendwann habe ich begriffen (bzw. konnte es dann so in Wort fassen), dass es beim Glauben um eine Lebensgewissheit und um eine Lebenskultur geht. 
Lebensgewissheit heißt, ich bin nicht zu einem in alle möglichen Richtungen gehenden, beinahe orientierungslosen Suchen verurteilt, sondern da gibt es gleichsam einen Rahmen für meinen Glauben: Es gibt eine lange Tradition von Glaubensvätern und Glaubensmüttern, die ihren Weg gesucht haben, gemeinsam und mit Gott; es gibt jahrtausendealte Gebete, die sie auch schon gebetet haben und die sie auch schon durchs Leben getragen haben. Es gibt die Menschen, die – so gut sie es eben können – den Glauben leben und das Leben aus dem Glauben gestalten. Sie sind diejenigen, „die dem Herrn gehören“ – das ist der Name für Kirche („kyriake“). Und es gibt einen Namen für meinen Glauben: Jesus Christus, von dem ich glaube, dass er in einer bestimmten historischen Situation gelebt hat, gestorben ist und auferstanden ist. Und dass er heute noch und immer wieder da ist und wirkt.

Lebenskultur heißt, ich muss nicht alleine unterwegs sein, sondern es gibt andere, die in derselben Spur gehen. Es gibt gemeinsame Bezugspunkte, Feiern, Rhythmen, Gebete, Traditionen, die uns tragen und nähren. 

Glauben ist ein Zeichen von Freiheit

Christlicher Glaube ist Lebensgewissheit und Lebenskultur. Das ist nicht immer nur ein schönes Gefühl, das ist ebenso manchmal anspruchsvoll und anstrengend. Aber das gibt Halt, Sinn, Richtung.

Der Glaube ist das Fsreieste, das ein Mensch haben und leben kann. Niemand kann ihn mir einreden oder ausreden, mir auferlegen oder überstülpen. Ich kann ihn nur selber annehmen und leben. Daher sprechen die französischen Bischöfe davon, den Glauben den heutigen Menschen und der heutigen Gesellschaft „anzubieten“. 
Eine Option für alle, die sich auf diesen Weg einlassen wollen. Wir laden dazu herzlich ein. Willkommen! 

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