Gipfelkreuz: Besinnliche Momente

Alpenverein Austria
Ausgabe Nr. 33
  • Spiritualität
Autor:
Gipfelkreuz im Weinviertel: Friedrich Macher beim Gipfelkreuz des 491 Meter hohen Buschbergs, der höchsten Erhebung des Weinviertels. © Imre Antal

Gipfelkreuze in Österreich: Ein umstrittenes Thema. "Viele Wege führen zu Gott. Einer geht über die Berge", entdecken Sie Friedrich Machers Perspektive.

Friedrich Macher, Vorsitzender des „Alpenvereins Austria“, der Gründungssektion im Österreichischen Alpenverein, über die vielschichtige Bedeutung der Kreuze auf unseren heimischen Berggipfeln.

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Welche Bedeutung haben die Gipfelkreuze auf unseren Bergen?

FRIEDRICH MACHER: Zunächst eine ganz konkrete geographische. Mit dem Erreichen des Gipfelkreuzes ist der höchste Punkt auf einem Berg erreicht, was ja auf vielen Bergspitzen nicht immer so eindeutig ist. Oft ist damit auch eine wesentliche alpinistische Funktion gegeben, nämlich das am Kreuz montierte Gipfelbuch. Die jeweilige Eintragung über die geplante weitere vorgesehene Route kann als Hinweisgeber für die Bergrettung notwendend und lebensrettend sein. Die individuelle Bedeutung für den einzelnen Bergwanderer oder Bergsteiger ist naturgemäß subjektiv geprägt. Aber ich habe noch vor keinem Gipfelkreuz Menschen erlebt, die nicht zumindest einige besinnliche Augenblicke lang in sich gegangen sind ob der Erhabenheit dieses Glaubenszeugnisses an diesem besonderen Ort.

Seit wann gibt es Gipfelkreuze in Österreich?

Circa ein halbes Jahrhundert, nachdem der Erschließungsalpinismus – der auf breiter Basis erst 1862 mit der Gründung des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) begonnen hat – bereits Hütten und Wege zur Erleichterung der Bereisung der Alpen geschaffen hatte. Dies ist ein Gründungsauftrag des Österreichischen Alpenvereins. Kreuze und Marterl in Tal- bis hinauf in Almlagen gibt es allerdings bereits einige Jahrhunderte länger.

Wer betreut diese Gipfelkreuze?

Im Regelfall Vereine und Traditionsverbände in den Talorten. Der Alpenverein ist meist kaum involviert, steht aber im Bedarfsfall ergänzend und mit wohlwollender Unterstützung zur Verfügung. Dies belegt auch die Praxis in dem von mir geleiteten „Alpenverein Austria“. In unseren Arbeitsgebieten (mehr als zehn Prozent des ÖAV) gibt es gezählte 79 Gipfelkreuze; ein einziges davon wurde nach Vandalismus und Wetterschaden von uns wiederrichtet. Allerdings, und das ist bemerkenswert: In der Standardliteratur zur Kulturgeschichte des Österreichischen Alpenvereins – ich denke da an die zweibändige Publikation „Hoch hinaus! Wege und Hütten in den Alpen“ sowie an die Ideengeschichte des ÖAV: „Alpenverein. Die Städter entdecken die Alpen“ und auch an die hochwertigen Jahrbücher – kommen Gipfelkreuze so gut wie nicht vor, wiewohl beispielsweise Kapellen und Andachtsräume ausführlich dokumentiert sind.

Was bedeutet Ihnen persönlich ein Gipfelkreuz?

„Viele Wege führen zu Gott. Einer geht über die Berge“: Schöner als der Tiroler Bergsteiger-Bischof Reinhold Stecher kann man es nicht ausdrücken. Der starke und erfolgreiche Bergsteiger Reinhold Stecher hatte zeit seines Lebens einen ganz besonderen Bezug zu den Bergen.

Gibt es die Tradition der Gipfelkreuze auch auf anderen Bergen in den umliegenden Alpenstaaten?

Ja, fast durchgehend in allen Alpenstaaten. Allerdings kommen gelegentlich auch andere Symbole vor. Mir sind zwei besonders eindrücklich in Erinnerung. Zum einen eine ergreifende Madonnendarstellung am Gipfel einer meiner schwersten Bergtouren – die Aiguille Noire de Peuterey, ein 3.773 Meter hoher Berg in Italien im Montblanc-Gebiet. Zum anderen ein Glockenspiel nach einer extremen Kletterei über den Südgrat der Guglia di Brenta in den Dolomiten, 2.883 Meter hoch, das mit Summen und Flirren ein kurz danach hereinbrechendes Gewitter angekündigt hat. Generell gesagt: Die oft publizierte Zahl von ca. 4.000 Gipfelkreuzen in den Alpen ist aus meiner persönlichen Erfahrung und Wahrnehmung realistisch und nachvollziehbar. Eine Dokumentation dazu ist mir aber nicht bekannt.

Was der Hirtenhund über das Gipfelkreuz "gebellt" hat.

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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