Aufbruch in der Erzdiözese Wien

Erneuerung als geistlicher Weg
Ausgabe Nr. 3
  • Chronik
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Die „Rote Tür“
Bis zum Beginn der Stadtmission am 23. Mai 2003 wanderte die „Rote Tür“ ab Februar 2003 durch Wien. Zahlreiche Prominente wirkten als „Türöffner“ und luden zum Gespräch über „Gott und die Welt“ ein. © kathbild.at/Rupprecht
Austausch bei der fünften Diözesanversammlung: Ins Gespräch kommen, aufeinander hören.
Austausch bei der fünften Diözesanversammlung: Ins Gespräch kommen, aufeinander hören. ©Erzdiözese Wien/Elisabeth Fürst

Was heute innerkirchlich „Synodalität“ genannt wird, wurde in der Erzdiözese Wien mit den fünf Diözesanversammlungen zwischen 2009 und 2018 ein Stück weit vorgelebt. Dabei wurde immer deutlicher, dass eine Veränderung und ein Aufbruch notwendig sind, um als Kirche in der Stadt Wien und im Osten Niederösterreichs fit für die Zukunft zu sein.

Am Valentinstag 2003 wurde mit einer symbolischen Aktion in der Wiener „Millennium City“ von Kardinal Christoph Schönborn der Countdown für die große Wiener Stadtmission gestartet. Der Erzbischof öffnete symbolisch jene „rote Tür“, die dann bis zum Beginn der Stadtmission am 23. Mai durch Wien „wanderte“. Zahlreiche Prominente übernahmen in diesen Monaten nach dem Vorbild des Kardinals die Rolle des „Türöffners“, um in der Stadt symbolisch zum „Gespräch über Gott und die Welt“ einzuladen – zum Dialog über alle Grenzen hinweg. Bis zum 1. Juni 2003 wurde die große Stadtmission abgehalten, die unter dem Motto „Öffnet die Türen für Christus“ stand. Parallel fand in Wien der „Internationale Kongress für eine Neue Evangelisation“ statt. In diesen Tagen ging die Kirche in Wien bewusst „auf die Straße“ und in die Öffentlichkeit – in Einkaufszentren, in Kaffeehäuser, auf die Universität, in Banken und Geschäfte – um die Menschen einzuladen, sich neu mit dem Thema „Glaube und Kirche“ auseinanderzusetzen. 

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Aufbruch in der Kirche

Es gab damals mehr als 1.000 Veranstaltungen in 107 Pfarren. „Wenn es um Christus geht, geht es um den Menschen“, sagte Kardinal Schönborn im Hinblick auf das Ziel der Stadtmission. Es gelte, den „Armen die Frohe Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu heilen, die Trauernden zu trösten, der Schönheit als Folge des Glaubens Raum zu geben“. Es gelte auch die Scheu zu überwinden, über Gott zu reden, betonte der Erzbischof. Auf die Stadtmission in Wien folgten Stadtmissionen in Paris (2004), Brüssel (2005), Lissabon (2006) und Budapest (2007).
 

Aufbruch: „Warum überhaupt Mission?“

Im Vorfeld der Stadtmission hielt Kardinal Schönborn im Arbeitsjahr 2002/2003 acht Katechesen im Stephansdom. Die erste Katechese am 6. Oktober 2002 widmete sich der Frage: „Warum überhaupt Mission?“ Was ist Mission und was sind die inneren Kräfte, die Christen antreiben, missionarisch zu sein? Weitere Themen der Katechesen waren unter anderem „Wie Schafe mitten unter die Wölfe. Jesu Jünger in seiner Mission“, „Die Liebe Christi drängt uns – Paulus als Missionar“, „Thérèse von Lisieux und die Stadtmission“ sowie „Johannes Paul II. und die Mission“. „Schreibt die Apostelgeschichte durch euer Leben weiter“ – so lautete später die Botschaft des Papstbesuchs von Benedikt XVI. in Wien und Heiligenkreuz im Jahr 2007. Ein „Hirtenbrief“ von Kardinal Schönborn, der am 1. Oktober 2008, dem Gedenktag der heiligen Thérèse von Lisieux, veröffentlicht wurde, setzte mit seinen Fragen an die Gläubigen den Start zu einer Auseinandersetzung um eine zukunftsfähige Kirche. Der Erneuerungsprozess stand unter dem Schlagwort „Apostelgeschichte 2010“.
 

„Ist unsere Gemeinde gastfreundlich?“ - Aufbruch und Wünsche

Die 1.450 Delegierten der dritten Diözesanversammlung vom 14. bis zum 16. Oktober 2010 sprachen in den Gesprächsgruppen „Selbstverpflichtungen“ und „Wünsche“ aus. Mit Blick auf das vom Zweiten Vatikanischen Konzil neu ins Licht gehaltene gemeinsame Priestertum aller Getauften machte die Erinnerung an die Taufe allen die ihnen gemeinsame Verantwortung bewusst. „Masterplan“ statt „Rasterplan“ und damit „Mission first“ und notwendige Strukturreformen waren die Aufträge, mit denen die Delegierten der dritten Diözesanversammlung von Kardinal Christoph Schönborn gesendet wurden. Mit einem zweiten Hirtenbrief im Jahr 2011 von Kardinal Schönborn, der die Ergebnisse der Diözesanversammlungen aufgegriffen hatte, und der Errichtung der Steuerungsgruppe ging der Diözesane Entwicklungsprozess unter dem Titel „APG2.1“ weiter. In seinem Hirtenbrief (2011) fragte Kardinal Schönborn die Gemeinden unter anderem: Ist unsere Gemeinde gastfreundlich? Wie viele Menschen sind im vergangenen Jahr neu zu uns gestoßen? Gibt es bei uns einen „Welcome-Service“? Im Arbeitsjahr 2011/2012 hielt Kardinal Schönborn neun Katechesen im Stephansdom zum Thema „Lebensschule Jesu“. Vom 17. bis zum 19. Oktober 2013 trafen sich an die 1.500 Delegierte im Rahmen des Diözesanen Entwicklungsprozesses APG2.1 im Stephansdom zur 4. Diözesanversammlung. In 42 Arbeitsgruppen wurde der „Schiffbruch vor Malta“ (Apostelgeschichte, Kapitel 27 und 28) in die Gegenwart „übersetzt“. Veränderungen seien auch eine Chance, so Kardinal Schönborn. Umso wichtiger sei die Orientierung am Wort Gottes. Eine Diözesanwallfahrt führte 2014 auf den Spuren des heiligen Paulus mit dem Schiff nach Griechenland und Kleinasien.

Durch den Aufbruch: Mehr Freude am Glauben und an der Kirche

Im September 2018 fand die 5. Diözesanversammlung mit 1.700 Delegierten zum Thema Jüngerschaft statt. Die Bibel nennt Menschen, die Jesus nachfolgen, Jüngerinnen und Jünger. Jüngerschaft bedeutet eine persönliche Freundschaft mit Jesus (Johannesevangelium, Kapitel 15, Vers 15) zu leben und sich von ihm in Dienst nehmen zu lassen. Eine der Fragen lautete: Wie gelingt es, dass Menschen mehr Freude am Glauben und an der Kirche haben können? Welcome-Service und Gebet seien „Türöffner“. Kardinal Schönborn nannte in seiner Predigt am 28. September drei „Eigenschaften, um die rechte Zeit zu erkennen“: „Aufmerksamkeit, die Unterscheidung der Geister und Gehorsam gegenüber dem Heiligen Geist.“ 
 

Neue pfarrliche Strukturen

Die pastorale Konzentration auf Mission und Jüngerschaft in der Erzdiözese Wien erforderte ab 2015 eine Neuausrichtung der pfarrlichen Strukturen. Sogenannte „Entwicklungsräume“ kennen „Pfarren mit Teilgemeinden“ (ehemals „Pfarre neu“) oder „Pfarrverbände“ oder „Seelsorgeräume“. Die weiteren kirchlichen Orte, die neben den Pfarren die Sendung der Kirche leben, sind: Ordensgemeinschaften, Religionsunterricht, kirchliche Kindergärten und Schulen, Einrichtungen der Caritas, der Orden und der Kategorialen Seelsorge, die anderssprachigen Gemeinden, sowie die Bewegungen, die Katholische Aktion und die Verbände. 

Schlagwörter
Autor:
  • Stefan Kronthaler
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