Annäherungen an Sisis Seelenleben
125. Todestag von Kaiserin ElisabethIhre Schönheit, ihre Eigenwilligkeit, ihr Reichtum und ihre Schicksalsschläge und nicht zuletzt ihr dramatischer Tod am Ufer des Genfer Sees machten Kaiserin Elisabeth von Österreich zum Mythos. Ihr von Glanz und Tragik geprägtes Leben lässt niemanden kalt. Viele Besonderheiten ihres Lebens wurden bereits intensiv erforscht wie Sisis Essgewohnheiten, ihr Schönheitskult und ihre ausgedehnten Reisen. In einem neuen Buch versucht die Historikerin Katrin Unterreiner das „geheime Leben der Kaiserin“ ans Licht zu bringen. Anlass für die Publikation ist der 125. Todestag der Kaiserin.
1898 verbrachte Kaiserin Elisabeth unter dem Namen Gräfin von Hohenems einige Tage in Genf, machte Besuche und kaufte Geschenke für ihre Enkelkinder. Begleitet wurde sie von ihrer Hofdame Irma Sztáray. „Durch eine Indiskretion erschien in einer Genfer Zeitung die Meldung, dass die Kaiserin von Österreich im Hotel Beau Rivage abgestiegen sei. Diese Nachricht las auch Luigi Lucheni, ein italienischer Anarchist, der eigentlich nach Genf gekommen war, um den Prinzen von Orléans zu ermorden“, schildert Katrin Unterreiner. „Dass der Prinz im letzten Moment seine Reiseroute geändert und früher als geplant Genf verlassen hatte, störte Lucheni wenig, hatte er doch damit durch Zufall bereits ein weitaus prominenteres Opfer gefunden – die Kaiserin von Österreich.“
Als Elisabeth um die Mittagszeit des 10. September in Begleitung von Irma Sztáray auf dem Weg zur Schiffsanlegestelle von Genf war, stürzte sich Lucheni auf sie und stieß ihr eine spitz zugeschliffene Dreikantfeile in die Brust. Das Unglaubliche: Die Kaiserin rappelte sich wieder auf und ging an Bord, brach dort allerdings bald zusammen. „Lucheni hatte die Kaiserin mitten ins Herz getroffen, und sie verblutete langsam nach innen“, schreibt die Historikerin. Lucheni wurde rasch gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb bereits 1910 durch Suizid.
Katrin Unterreiner schildert Sisi in ihrem Buch als eine Frau voller Widersprüche: Ihrer Zeit in vielen Dingen voraus und trotzdem fest im monarchischen Selbstverständnis von Rang und Reichtum verankert. „Ich wollte, meine Seele entflöge zum Himmel durch eine ganz kleine Öffnung des Herzens.“: Diesen „prophetischen“ Satz soll Sisi im Kreise ihrer Familie des Öfteren geäußert haben.
Wer glaubt, wird selig - Der Studio Omega-Podcast - Folge 93: War Kaiserin Elisabeth heilig?
Die Kaiserin und der liebe Gott
Der bayerische Historiker Alfons Schweiggert ist der Meinung, dass man sich Sisis Seelenleben am ehesten über die Frage nach ihrem Glauben und ihrer Beziehung zu Gott und Kirche annähern könne. Sein Buch mit dem Titel „Elisabeth und Gott – Glaube und Aberglaube im Leben der Kaiserin von Österreich“ erschien bereits 2021.
Sisi sei in Bayern in einer liberaleren Glaubenswelt aufgewachsen und habe sich daher mit dem strengen Hofzeremoniell in Wien sehr schwergetan, so der Historiker. Konfliktreich sei auch Elisabeths Beziehung zum einflussreichen Kardinal Joseph Othmar von Rauscher gewesen. Religiöse Züge nahm die Leidenschaft der Kaiserin für Pferde und für das Reiten an, wie man von Schweiggert erfährt. So hatte die Kaiserin eine eigene Reitkapelle in der Hofburg, die nur Auserwählte besuchen durften und in der sie vor Bildern ihrer Lieblingspferde meditierte. Die Analyse des Autors macht deutlich: Elisabeth glaubte an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod und fühlte sich zu einfachen Mönchen auf ihren „Lieblingsinseln“ Madeira und Korfu hingezogen. Mit dem jüdischen Gott „Jehova“ habe Elisabeth lebenslang Zwiegespräche geführt. Zugleich war die Kaiserin abergläubisch, glaubte an Amulette und ließ sich die Zukunft lesen. Sisi ließ sich auch einen Anker tätowieren – kirchlich und gesellschaftlich damals völlig inakzeptabel. Schweiggert: „Der Anker war für sie ein Zeichen des Angekommenseins, des Todes und der erwünschten Erlösung. Natürlich hat das Franz Joseph geschockt.“ Sisis Tätowierung auf dem linken Schulterblatt wurde erst bei ihrer Obduktion entdeckt.
Die Kaiserin verstand es, auch posthum die Gemüter zu bewegen.