Als das Christkind gestohlen wurde

Roms ungelöster Kirchenkrimi
Ausgabe Nr. 50
  • Kunst und Kultur
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Das „Santo Bambino“ - das Christkind - mit goldener Krone und reich besticktem Gewand.
Das „Santo Bambino“ - das Christkind - mit goldener Krone und reich besticktem Gewand. ©wikicommons
Die Figur steht die meiste Zeit des Jahres in einer Kapelle links neben der Apsis im Inneren der Kirche Santa Maria in Aracoeli.
Die Figur steht die meiste Zeit des Jahres in einer Kapelle links neben der Apsis im Inneren der Kirche Santa Maria in Aracoeli. ©wikicommons
Die Kirche Santa Maria in Aracoeli steht auf dem Kapitolshügel – gleich hinter dem  Nationaldenkmal Viktor Emanuels II.
Die Kirche Santa Maria in Aracoeli steht auf dem Kapitolshügel – gleich hinter dem
Nationaldenkmal Viktor Emanuels II.
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1994 versetzte der Diebstahl einer 500 Jahre alten Holzfigur aus der Kirche Santa Maria in Aracoeli ganz Rom in Aufruhr. Denn es war nicht irgendeine Holzfigur verschwunden, sondern das Christkind vom Kapitolshügel.

Jedes Jahr zu Weihnachten spielt sich in der Kirche Santa Maria in Aracoeli in Rom die gleiche Szene ab: Mit großer Ehrfurcht wird eine Figur des Jesuskindes aus seinem Schrein geholt und zu Maria und Josef in die Krippe gesetzt – das „Santo Bambino“, das „Heilige Kind“. Hunderte Römerinnen und Römer machen der Statue dann in den folgenden Tagen ihre Aufwartung. Kinder tragen ihm Gedichte vor. Und am 6. Jänner wird das „Santo Bambino“ dann nach einer feierlichen Prozession auf den Kapitolsplatz vor die Kirche gebracht, von wo aus die Stadt Rom gesegnet wird. Santa Maria in Aracoeli ist sozusagen „die“ Weihnachtskirche der Ewigen Stadt. Viele Römer haben den Brauch beibehalten, die Geburt des Herrn in dieser Basilika zu begehen.

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Christkind aus Holz aus dem Garten Getsemani

Das „Santo Bambino“ ist aus Holz gearbeitet und soll im 15. Jahrhundert von einem Franziskanerpater in Jerusalem aus einem Stück Olivenholz aus dem Garten Getsemani geschnitzt worden sein. Überlieferungen belegen, dass es spätestens ab Ende des 18. Jahrhunderts verehrt wurde. Aus dieser Zeit sind die ersten Pilgerfahrten zum „Santo Bambino“ bekannt. Papst Leo XIII. (1878 bis 1903) erlaubte dann 1894 sogar offiziell die Verehrung der Figur und veranlasste, ihr eine goldene Krone auf den Kopf zu setzen. Bis heute ist die Bedeutung des „Santo Bambino“ für Römerinnen und Römer, aber auch Reisende und Pilger ungebrochen. Ob in Krankheit, für den Segen eines neugeborenen Kindes oder bei einem Kinderwunsch: Viele Menschen besuchen Tag für Tag das „Santo Bambino“, und manch einer ist fest davon überzeugt, dass es bis heute seine Wunder verrichtet.
 

Christkind: Diebstahl der Statue erregte mächtiges Aufsehen

Dass es sich bei der Statue eigentlich nur um eine Kopie handelt, ist dabei tatsächlich Nebensache. Aber der Diebstahl, der das Anfertigen einer Kopie notwendig machte, erregte vor 30 Jahren mächtiges Aufsehen: Am 1. Februar 1994 nämlich stahlen Unbekannte die 500 Jahre alte Olivenholzfigur aus der Kirche Santa Maria in Aracoeli. Die Ermittlungen, wie es dazu kommen konnte, begannen unverzüglich und man war sich sicher, das „Santo Bambino“ bald zu finden und wieder an seinen angestammten Platz bringen zu können. Ja, die Polizei hielt es für absolut unmöglich, dass die 60 Zentimeter große Holzfigur nicht wieder auftauchen würde. Sie ging davon aus, dass die goldenen Ornamente zu Geld gemacht würden, die Figur selbst jedoch zu bekannt sei, um sie weiterzuverkaufen. 
 

Lösegeld für das „Santo Bambino“?

Doch trotz intensivster Ermittlungen blieb das „Santo Bambino“ verschwunden. Sämtliche Aufrufe von kirchlicher und staatlicher Stelle und von einfluss- reichen Personen der Stadt blieben erfolglos. Sogar Insassen des römischen Regina-Coeli-Gefängnisses appellierten an die unbekannten Diebe, das „Bambinello“ doch bitte herauszugeben. Und  Privatpersonen boten den Franziskanern, für die die Kirche seit 1249 Klosterkirche war, an: Sollten die Diebe eine Art „Lösegeld“ für das „Santo Bambino“ fordern, würden sie diesen Betrag übernehmen.
Schließlich entschieden sich die Franziskaner, eine Kopie des Jesuskinds anfertigen zu lassen und diese Kopie in der Kapelle aufzustellen. 
 

Entstehung der Christkind-Statue: Engel sollen mitgewirkt haben

Dort steht die Statue seither und soll genau das tun, was auch das Original getan haben soll: Wunder wirken. Vom Original nämlich sind einige Geschichten überliefert: Der Legende nach war nämlich schon bei der Entstehung des „Bambinello“ viel Übermenschliches im Spiel. So sollen Engel die Figur über Nacht, während der Künstler schlief, fertig bemalt haben. 
Legenden ranken sich aber nicht nur um die Entstehungsgeschichte der Figur. Auf dem Weg in die Ewige Stadt soll die Kiste mit dem „Santo Bambino“ bei rauer See über Bord gegangen, aber dem Schiff auf wundersame Weise hinterhergeschwommen sein und so doch noch das Ziel, Rom, erreicht haben.
 

Heilsame Wirkung

In der Ewigen Stadt angekommen soll das „Bambinello“ bald Wunder vollbracht haben. Im 17. Jahrhundert soll die berühmte Familie Borghese auf die Kräfte des „Santo Bambino“ vertraut haben, als Kardinal Scipione Caffarelli Borghese schwer erkrankte – man war so begeistert von den Gaben der Figur, dass man sogar überlegte, eine Kopie anfertigen zu lassen, diese zurück in die Kirche zu schicken und die echte zu behalten. Das aber ist dann doch nicht passiert. Im 19. Jahrhundert ließ ein Adeliger aus der einflussreichen Familie Torlonia sich die Figur ans Krankenbett bringen. Wider die Erwartungen seiner Ärzte überlebte er daraufhin seine Erkrankung. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts soll dauerhaft eine Kutsche der Torlonias bereitgestanden haben, um das Jesuskind im Notfall zu den Kranken zu bringen. Die Nachricht über jede wundertätige Heilung verbreitete sich jedes Mal rasend schnell in Rom. Die Folge war, dass die Franziskaner, deren Klosterkirche Santa Maria in Aracoeli ja war, regelmäßige Anfragen von Römerinnen und Römern bekamen, die ebenso auf eine Wunderheilung durch das „Bambinello“ hofften. 

Nicht nur zu Weihnachten

Heute verlässt das „Santo Bambino“ – beziehungsweise seine Kopie – die Kirche auf dem Kapitolshügel nicht mehr in Richtung Krankenbetten. Vielmehr steht die Figur die meiste Zeit des Jahres in der Kapelle links neben der Apsis. In seiner Kapelle stapeln sich die Briefe, die ihm aus der ganzen Welt geschickt werden. Die thronende Figur mit goldener Krone und reich besticktem Gewand wirkt so, als freute sie sich über die vielen, die sie besuchen und ihr ihre Bitten vortragen – nicht nur zu Weihnachten. 

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
  • Niklas Hesselmanna
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