Aktiviert zum Aktionismus
Fastenzeit is. Plötzlich ungewohnt zeitgemäß präsentieren sich dazu kirchliche Angebote wie jene des Autofastens. Schlagartig leerte sich vor den Kameras der Weltöffentlichkeit am Aschermittwoch der Gürtel, lud die still daliegende Tangente zum Spaziergang ein … Ein Pling lässt mich aus Schlaf und Traum hochfahren. Twitter meldet sich mit der Nachricht der Wiener Landespolizeidirektion, dass soeben acht angeklebte Personen am Westbahnhof den Gürtel lahmgelegt hätten. Der Stau reichte gefühlt bis ins nördliche Waldviertel. Ein Erfolg für die Klimakleber. Autofaster wären für sie so gesehen ein Problem. Wo wäre der Effekt, wenn plötzlich nurmehr zwei Fahrradfahrer und ein 48er-LKW vor ihnen warten müssten … Ich schlafe wieder ein.
Wieder ein Pling. Noch ein Polizei-Tweet. Man habe die Personen erfolgreich abgeschabt. Dank gelte den Hunde(rt)schaften der Polizei, den unzähligen Einsatzwägen und einem Polizeihubschrauber. Ich überschlage den CO₂-Verbrauch der Aktion. Mir wird schlecht. Ich wische zur Ablenkung mit den Pfoten durch die Nachrichten. Jane Fonda echauffiert sich, dass die böse OMV den Opernball sponsert. Und in eine Stretch-Limo einsteigen will sie schon gar nicht. Manchmal ist es so leicht, auf der richtigen Seite zu stehen, denke ich mir und winke ihrem Privatjet zum Abschied hinterher.
Eine gute Nachricht lässt mich schließlich wieder einschlafen: Die kirchliche „ARGE Schöpfungsverantwortung“ macht doch weiter. Irgendwie jedenfalls. Schreibt sie in einem kryptischen Newsletter. Darin lese ich: „Was braucht es heute? Aktivisten, Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, Verantwortlichkeit, geschultes Urteilsvermögen, offene, wohlmeinende Kritik, Beharrlichkeit und Beständigkeit, Spiritualität und Weisheit.“ Ahhh, gut, dass mir das mal jemand sagt. Ich schlage Jane Fonda als neue Ehrenvorsitzende und Richi Lugner als Kassier vor.
Bevor Zweifel an meiner wohlmeinenden, behaarten, spirituellen, weisen, offenen, aktivistischen Haltung auftreten: Ich bin sehr für Umweltschutz, für Aktivismus, für mehr Demut im Umgang mit der Schöpfung. Aber ich bin auch überzeugt, dass dem eine gewisse Vergeblichkeit eignet, dass unser kirchliches Klima-Kollektentum weniger Aktivismus als vielmehr Aktionismus darstellt, der vor allem das Gewissen beruhigt. Pling. Die Polizei. Der Verkehr fließt wieder. Und Janes Privatjet zieht weiter pittoreske Kondensstreifen in den blauen Himmel. Mein Fastengebot? Ich werde auf Reisen im Privatjet verzichten. Der gute Wille zählt.